LEA Gittersehschärfetest
#251300
Entwickelt von Lea Hyvärinen, MD

Abbildung 1. Für Messungen der Gittersehschärfe gibt es vier Gitter mit 8 cpcm, 4 cpcm, 2 cpcm bzw. 0,5 cpcm (cpcm = Zyklen pro Zentimeter [engl. cycles per centimetre] der Oberfläche). Ein Schlüsselkarten-Gitter besteht aus dem 2 cpcm-Gitter.

Bei dem LEA-Gittersehschärfetest muss die Richtung von langen Linien unterschieden werden, was eine anspruchsvollere Aufgabe darstellt als die Responsen zu Gittern, die mit LEA GRATINGS oder den Teller-Sehschärfekarten gemessen wird. Die Testgitter werden Kindern und Erwachsenen in verschiedenen Abständen gezeigt, um herauszufinden, in welcher Entfernung die Richtung der Linien wahrgenommen werden kann. Sind der Abstand und das verwendete Gitter bekannt, kann der Wert der Gittersehschärfe aus einem beigelegten Nomogramm abgelesen werden.

Wahrnehmung der Gitter

Bei der Beurteilung des Sehvermögens eines Kindes oder Erwachsenen ist es wichtig zu wissen, dass manche Menschen Gitter nicht als gerade Linien sondern als unregelmäßige Muster wahrnehmen und daher nicht die Orientierung der Linien bestimmen können. Es ist auch möglich, dass eine Person die Gitter überhaupt nicht wahrnimmt; dies kommt selten vor, ist aber zu beobachten bei Patienten mit Hirnläsionen, die das Sehvermögen des Patienten möglicherweise ansonsten nicht beeinträchtigen. Vor Beginn des Tests ist es daher ratsam, die Gitter der Person zunächst vorzuführen. Dazu zeigt man die 0,5 cpcm-, 2 cpcm-, 4 cpcm- und 8 cpcm-Gitter in kurzem Abstand und fragt, wie sie die Gitter sieht.

Wenn die Person antwortet, dass "die breiten Linien regelmäßig und gerade in dieser Richtung verlaufen, die anderen aber nicht; die etwas schmaleren Linien sind nur in einem Teil der Fläche zu sehen und die wirklich feinen Linien schlängeln sich und sind gar nicht gerade", dann haben Sie zu Beginn des Tests eine wichtige Beobachtung gemacht und wissen, dass die Person Probleme mit der gleichzeitigen Verarbeitung vieler gerader Linien hat. Dieses Problem bei der visuellen Wahrnehmung kann mit keinen anderen klinischen Tests, sondern nur mit Gittern und der Frage danach, wie die Gitter wahrgenommen werden, erkannt werden.

Sie können die Gittersehschärfe als Fähigkeit zur Auflösung/Unterscheidung von Gittern nur dann messen, wenn die Gitter als gerade Linien gesehen werden. Die breiten Linien werden als immer schmaler wahrgenommen, je weiter sie sich entfernen; sie werden also zu feinen Linien. Werden Gitter als Erkennungstest (Teller-Sehschärfekarten, Sehschärfetest mit Keeler Cards, LEA GRATINGS) verwendet, kann man nicht feststellen, wie ein Kind die Gitter wahrnimmt.

Sie können selbst die Probleme bei der Wahrnehmung der Gitter erfahren, wenn Sie das Gitter vor sich drehen. Selbst ein vollkommen gesundes visuelles System kannl rotierende Gitter nicht entschlüsseln, sondern sieht verschiedene Sinnestäuschungen.

Bei der Messung stellen Sie u. U. fest, dass die Linien bei verschiedenen Orientierungen in leicht unterschiedlichen Abständen wahrgenommen werden. In der Regel bedeutet dies, dass die Person einen nicht korrigierten Astigmatismus hat. Dies bedeutet nicht, dass die Brille falsche Werte hat.

Anleitung

Die Messung ist am einfachsten, wenn Sie ein Maßband auf den Boden kleben (wir befestigen mit Tejp/Tape) und entlang des Maßbands gehen. Dann können Sie den Abstand ablesen, bei dem der Erwachsene/das Kind die Orientierung der Linien richtig angibt.

Bei Bedarf müssen Kinder so angeleitet werden, dass sie die Orientierung der Linien mit der Hand oder mit dem Schlüsselkartengitter zeigen. Sind die Reaktionen eines Kindes uneinheitlich, ist es möglich, dass die Linien als sich bewegend gesehen werden, so dass ihre Orientierung schwer zu bestimmen ist.

  • Auf Basis Ihrer Beobachtungen bei der Vorführung der Gitter wählen Sie das erste Testgitter so, dass es in einem Abstand mehr als 120 cm erkannt wird, sofern sich dieser Abstand innerhalb der visuellen und kognitiven Sphäre des Erwachsenen/Kindes befindet.

  • Das Testgitter wird zunächst zu einem Abstand bewegt, bei dem der Erwachsene/das Kind die Richtung/Orientierung der Gitterlinien nicht unterscheiden kann. Beim Testen eines Kindes sagen Sie so etwas wie: „Jetzt gehe ich ein  bisschen weiter weg, bis du keine Linien mehr siehst. Siehst du sie noch? Nein? Dann können wir anfangen!“

  • Bewegen Sie das Gitter langsam auf den Erwachsenen/das Kind zu, bis er/es die Orientierung des Gitters wahrnimmt.

  • Verwenden Sie die vier verschiedenen Orientierungen bei der Bestimmung des Grenzabstandes. Wenn Sie das Gitterlinien drehen wollen, halten Sie zunächst die gleichmäßig graue Fläche zum Patienten. Dann wenden Sie die Gitterlinien in ihrer neuen Orienierung dem Patienten zu. Bitten Sie den Patienten, die Orientierung der Linien mit der Hand oder mit dem Schlüsselkartengitter zu zeigen. Manche Kinder können nur horizontale und vertikale Orientierungen verwenden.

  • Die Richtung der Linien sollte nach dem Zufallsprinzip variiert werden. Es ist doch nicht ratsam, die gleiche Richtung ein zweites Mal unmittelbar nach dem ersten Durchlauf zu zeigen oder die Linien in einer Richtung zu zeigen, die der Patient soeben in seiner (falschen) Antwort verwendet hat, da Menschen dazu neigen, nicht noch einmal dieselbe Antwort zu geben. Deshalb führt das zweimalige Zeigen derselben Orientierung der Linien wahrscheinlich zu einer falschen Antwort beim zweiten Zeigen.

  • Der Grenzabstand ist dann bestimmt, wenn bei dem betreffenden Abstand in mindestens drei von fünf Testdurchläufen die richtige Antwort gegeben wird. Kinder haben oft nicht genug Geduld für fünf Messungen. Deshalb sollte man mit 2 bis 3 Messungen zufrieden sein, vor allem wenn sie nahezu den gleichen Abstand ergeben.

Der Wert der Gittersehschärfe in Zyklen pro Grad (cpd; engl. cycles per degree), der dem Messwert des Grenzabstandes entspricht, wird aus dem Nomogramm abgelesen, das dem verwendeten Gitter entspricht (Nomogramm I; Diagramm A, B, C oder D).

Nomogramm I. Gittersehschärfe (cpd) bei unterschiedlichen Abständen.


Die Größe des Stimulus

Hat ein Patient beispielsweise das 8 cpcm-Gitter in einem Abstand von 1,15 m erkannt, ergibt das eine Gittersehschärfe von 16 cpd mit einem 10°-Stimulus: 8 cpcm entsprechen 8 cpd bei 57,2 cm und 16 cpd bei 115 cm (2 x 57 cm). Da das Gitter einen Durchmesser von 20 cm hat, entspricht es 20 Grad bei 57 cm Abstand und 10 Grad bei 115 cm Abstand.

Die Ergebnisse können in Abhängigkeit von der Größe des Gitters variieren, d. h. der Wert der Gittersehschärfe fällt ab, wenn das Gitter bei größeren Abständen kleiner wahrgenommen wird. Dies geschieht bei fleckförmigen Verlusten des zentralen Gesichtsfeldes oder einem dichten zentralen Skotom. Beide Phänomene „fressen“ den Bereich des Gesichtsfeldes auf, der für die Erfassung der Informationen zur Verfügung steht. Die Tests eines Patienten mit relativem zentralem Skotom ergaben mit drei Gittern beispielsweise:

Das 8 cpcm-Gitter bei 120 cm ist gleich 16,8 cpd (Stimulusgröße 10,3°).
Das 4 cpcm-Gitter bei 190 cm ist gleich 13,5 cpd (Stimulusgröße 6,7°).
Das 2 cpcm-Gitter bei 300 cm ist gleich 10,5 cpd (Stimulusgröße 3,6°).

Die Messungen mit Stimuli unterschiedlicher Größe zeigen die Qualität des zentralen Gesichtsfeldes.

Die Größe des Stimulus ist in Nomogramm II angegeben.

Nomogramm II. Die Größe des Stimulus, d. h. der Durchmesser des Stimulus in Grad bei unterschiedlichen Abständen.

Beurteilung von Kleinkindern und Kindern mit unterschiedlichen intellektuellen Fähigkeiten

Die Möglichkeit zum Einsatz von Gittertests ist vom Alter abhängig, noch mehr jedoch von der Kommunikations- und Konzeptentwicklung des Kindes. Ich habe sie bei der Beurteilung von Kindern mit Entwicklungsverzögerungen im Kindergartenalter eingesetzt und festgestellt, 1) dass das Kind nicht einmal seinen Finger entlang der Linien bewegen konnte; deshalb musste das Kind zunächst entsprechend angeleitet werden, bevor wir es testen konnten. 2) Manche andere Kinder halten die Hände vor ihre Augen, sobald sie die Gitter sehen, was zeigt, dass die Gitter sehr wahrscheinlich verzerrt sind und als unangenehm für ihr visuelles System empfunden werden. 3) Wieder andere Kinder können ihre Finger auf den breiteren Linien bewegen, jedoch nicht auf den 8 cpcm-Linien. Keines dieser Kinder konnte die Frage beantworten, ob die Ränder der Linien gerade/glatt oder unregelmäßig waren. Selbst in dieser Gruppe von Kindern ist es also möglich, Testsituationen als Spielsituationen zu schaffen, mit denen wir neue Erkenntnisse über ihr visuelles System sammeln können.

Bei der Standard-Testsituation ist es erforderlich, dass das Kind die Richtung der Linien angeben kann, indem es sie – selbst oder mit Unterstützung – zeigt oder beschreibt (Linien gehen nach oben/gehen zur Seite/gehen schräg nach oben [bei diagonalen Linien]). In der Regel haben wir zunächst die Fähigkeit des Kindes bewertet, Richtungen von Linien wahrzunehmen und nachzuahmen. Dazu haben wir den Briefkasten-Test und verschiedene schmale Gegenstände verwendet, die das Kind parallel/in der gleichen Richtung anordnet. Auf diese Weise wissen wir, ob das Kind in der Lage ist, die Richtung der Linien wahrzunehmen und anzugeben. Viele Erstklässler wissen nicht, was das Wort „parallel“ bedeutet, so dass es am Anfang vermieden werden sollte. Es sollte erst verwendet werden, wenn das Kind die Aufgabe meistert, schmale Gegenstände wie Bleistifte in einem bestimmten Abstand voneinander anzuordnen. Manche Kinder wollen besonders schnell sein und schieben alle Bleistifte nebeneinander. Dann müssen Sie die Aufgabe noch einmal erklären.

Aufzeichnung der Ergebnisse

Wenn auf dem Aufzeichnungsformular sowohl das Ergebnis der Gittersehschärfe-Messung als auch der Wert der Erkennungssehschärfe (Visus) der Testperson eingetragen sind, sehen Sie den Unterschied zwischen den Ergebnissen dieser beiden verschiedenen Arten von Messungen. Sie können auch die Werte eintragen, die mit Gittern mit unterschiedlicher wahrgenommener Größe gemessen wurden (Messungen in verschiedenen Abständen). Sie sind die Punkte, an denen die Steigungen der Kontrastempfindlichkeitskurven auf die X-Achse treffen.

Das Aufzeichnungsformular kann für Ergebnisse bei allen Kontraststufen eingesetzt werden und gibt uns einen Überblick über die Sehfunktion im Fixationsbereich des Gesichtsfeldes.

Abbildung 2. Die Ergebnisse eines Patienten mit einer Gittersehschärfe von 8 cpd (X) und einem Erkennungssehschärfe-Wert von 0,1 (6/60, 20/200) (x) sind auf dem Aufzeichnungsformular eingetragen.

Die Gittersehschärfe allein ist ein schlechter Indikator der Sehfunktion.

Sagen Sie deshalb nicht, dass das Sehvermögen des Kindes laut Messung der Gittersehschärfe normal ist. Sagen Sie, dass "der Wert der Gittersehschärfe im Normalbereich liegt und dass weitere Beobachtungen und Messungen erforderlich sind, um ein vollständigeres Bild der Sehfunktion des Kindes zu erhalten."

Gittersehschärfe in unterschiedlichen Abständen

Auf jedem Gitterpaddel ist die Ortsfrequenz des aufgedruckten Gitters in Zyklen pro Zentimeter (cpcm) angegeben. Im Abstand von 57 cm entspricht 1 Zentimeter einem Sehwinkel von 1 Grad*. Somit ist nur bei diesem Abstand der Wert der Zyklen pro Grad (cpd; engl. cycles per degree) jedes Gitters gleich dem auf dem Paddel aufgedruckten cpcm-Wert. Zum Beispiel entspricht bei 57 cm das 0,25 cpcm-Paddel einem Wert von 0,25 cpd. Wird das Paddel näher heran bewegt, nimmt die Anzahl der Zyklen pro Grad ab. Bei einem Abstand von mehr als 57 cm erhöht sich die Anzahl der cpd. In der Tabelle unten sind die berechneten cpd-Werte bei einigen häufigen Abständen angegeben. Wird ein anderer Abstand verwendet, können die cpd-Ergebnisse anhand der folgenden Formel errechnet werden:

Verwendeter Abstand
57.2 cm
x cpcm = cpd

*HINWEIS: Dies lässt sich aus der nachstehenden Formel herleiten. Ein Kreis hat 360° und der Umfang eines Kreises ist gleich 2 π r (mit r als Radius). In diesem Fall ist "r" gleich dem Abstand zwischen dem Auge des Kindes und dem Paddel. Misst der Umfang eines Kreises 360 cm, entspricht jedem Winkelgrad eine Strecke von 1 cm auf dem Umfang. Der Radius eines solchen Kreises wird wie folgt berechnet:

r  = 360 cm
2 π
  =  57.2 cm

[ Gebrauchsanleitungen I Pädiatrische Teste I Sehteste]

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