Binokularität

Viele sehgeschädigte Kinder haben nur ein funktionierendes Auge und somit keine Binokularfunktionen. Kinder mit zwei funktionierenden Augen können beidäugiges (binokulares) Sehen ausgebildet haben (d.h. sie nutzen beide Augen zusammen, um ein Bild eines Objektes zu formen = Fusion zweier Bilder), oder sie können die Augen alternierend benutzen, oder sind nur fähig, das zentrale Gesichtsfeld eines Auges zu benutzen, da das andere amblyop oder schwachsichtig ist. Wie die Augen benutzt werden, kann bei der Entscheidung für die besten vergrößernden Sehhilfen wichtig sein. Zum Beispiel kann ein Kind, welches seine Augen alternierend benutzt, die Fernkorrektion auf dem einen und die Nahkorrektion auf dem anderen Auge, anstatt der meist viel teureren Bifokalgläser, tragen.

Stereosehen ist eine der binokularen Funktionen. Da die Entwicklung des Stereosehens eine gute Ausrichtung der Augen und gutes Sehen während der ersten Lebensjahre erfordert, haben die meisten schon früh sehgeschädigten Kinder kein Stereosehen. Daher wird oftmals fälschlicherweise gemeint, dass diese Kinder die Welt nicht dreidimensional wahrnehmen. Das ist ein Missverständnis. Unsere Erfahrungen der Dreidimensionalität basieren auf zahlreichen visuellen Wahrnehmungen, zum Beispiel der relativen Größe von Objekten, Schatten, scheinbarer Bewegung bei eigener Bewegung und darauf, dass nahe Objekte teilweise weiter entfernte Objekte abdecken.

Die meisten normal sehenden Menschen, die kein Stereosehen besitzen sind sich nicht darüber bewusst, dass etwas unnormal ist mit ihrem Sehen. Gleichzeitig können die Probleme, die sehgeschädigte Kinder und Erwachsene mit räumlichen Verhältnissen haben, nicht durch ein nicht vorhandenes Stereosehen erklärt werden. Jedoch verursacht der Verlust des Stereosehens, nachdem es einmal entwickelt war, eine schlechte Kontrolle der Handbewegungen für Wochen und Monate, bis neue Techniken für die Auge-Hand-Koordination erlernt werden.

Fragen in Bezug auf Refraktion und Binokularität sind für eine Großzahl der Lehrer und Therapeuten neu. Um die Funktionen und Limitationen der Funktionen des Kindes zu verstehen, ist es notwendig, die Qualität des Sehens des Kindes zu kennen. Wenn das Kind jede seiner Brillen, die es hat, benutzt, soll man ausfinden, auf welchen Entfernungen die Brillen das klarste Bild erzeugen und ob das Kind ein oder beide Augen benutzt. Alle diese Details sollten vom Augenarzt des Kindes (wenn das Kind von einem Augenarzt untersucht wurde) und dem Spezialisten, der die Brillen gefertigt hat, genau erklärt werden.

Wenn der Lehrer oder Therapeut keine Hilfe bei der Bestimmung des Refraktionsfehlers des Kindes hat, sind große Fehler bei der Messung zu erwarten. Dies sollte sie nicht demotivieren weitere Versuche durchzuführen. Alle machen wir Fehler in der Untersuchungen, auch erfahrende Refraktionisten machen erhebliche Fehler bei der Untersuchung sehgeschädigter Kinder, deren Augen ungewöhnliche Formen haben und deren Fixation einige Grad von der optischen Achse des Auges entfernt ist.

Gleichzeitig ist die Einschätzung des Binokularsehens und des Führungsauges oft eine schwierige Aufgabe. Einfaches wechselseitiges Abdecken der Augen während das Kind liest kann zeigen, welches Auge das Kind zum Lesen benutzt oder ob die beiden Augen bei anhaltendem Nahsehen und entfernten Aufgaben gleich gut sind.