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Dia 23.

Das Bild, das wir in unserem Gesichtsfeld sehen, kann 1. von den Änderungen in der Optik des Auges, 2. in der Netzhaut, 3. in den Sehbahnen oder 4. in der Sehrinde beeinflusst werden: Teile des Gesichtsfeldes können fehlen, das Bild kann verzerrt oder unklar sein. Sehr viele Faktoren also, die jeweils spezifisch überprüft werden müssen.


Dia 24.

Die Helligkeitsempfindlichkeit des Gesichtsfeldes, die Struktur des zentralen Gesichtsfeldes und die Größe des peripheren Gesichtsfeldes werden mit verschiedenen Perimetrien gemessen.


Dia 25.

Was wir dabei oft nicht untersuchen, ist die Struktur des Fixationsfeldes, zum Beispiel wenn ein Kind Schwierigkeiten mit dem Lesen hat. Sehr kleine Skotome, Gesichtsfeldausfälle, rechts von der Fixation können den Lesevorgang stören. Wenn die Buchstaben in den Bereich des Skotoms rutschen, verschwindet ein oder einige Buchstaben - oder, wie in diesem Fall: der Wortanfang liegt im Bereich des Skotoms, was die Planung der Sakkadenbewegung stört. Die Fixation kann nicht am Anfang des Wortes ansetzen - wie es bei einem Leseanfänger üblich ist - und das Kind muss eine korrigierende sakkadische Bewegung machen, um das Wort zu buchstabieren.


Dia 26.

Wenn ein Kind Leseschwierigkeiten hat, kann man dieses Problem sehr einfach diagnostisieren. Verschwindet die Schwierigkeit beim Lesen mit größerer Schrift-, so gibt es etwas im Fixationsgebiet, was das Kind stört. Das ist nicht Legasthenie.


Dia 27.

Bei Makuladegenerationen ist die Fixation nicht in der Fovea, deren Funktion gestört ist, sondern außerhalb der degenerierten Fovea. In diesem Fall gibt es zwei bevorzugte Fixaktionsgebiete, das eine oberhalb, das andere etwas seitwärts von der Fovea.


Dia 28.

Wenn die Änderungen in der Makula fleckig sind, variiert die Fixation oft. Die Person benutzt diejenige Insel des zentralen Sehens, die für die jeweilige Aufgabe passend ist. Gibt es eine kleine ‚Insel' mit hoher Sehschärfe, kann sie während der Überprüfung der Sehschärfe benutzt werden, beim Lesen aber eine größere Insel mit niedrigerer Sehschärfe. Dieses kann man mit dem Scanning Laser Ophthalmoskop genau studieren, doch ist es eine sehr teuere und zeitaufwendige Untersuchung, welche die Kinder nicht gern haben.


Dia 29.

Man kann die variierende Fixation sehr einfach mit meinem Eccentric Fixation Recorder überprüfen. Die Person schaut in die Mitte der Karte, dorthin, wo es ein Loch gibt. In dieses Loch stellt man nach einander kleine und größere einzelne Buchstaben, kürzere und längere Wörter von verschiedener Größe und jedes Mal untersucht man, wo der blinde Fleck liegt. Wenn die Stelle des blinden Fleckes variiert, variiert auch die Fixation in gleichem Maß, sowohl in der Entfernung als auch in der Richtung.

Da der Preis dieser Untersuchung nur der Preis der Arbeitszeit von wenigen Minuten ist, hat der Test den Namen Poor Man's SLO erhalten.


Dia 30.

Klinische Resultate der verschiedenen Perimetrien stellen das Gesichtsfeld auf verschiedenen Weise dar. In diesem Fall sind die zwei Resultate nach einander gemessen worden, die automatische Perimetrie zeigt ein tiefes Ringskotom, einen ringförmigen Gesichtsfeldausfall, aber die Perimetrie nach Goldmann zeigt kein Ringskotom. Beide Messungen werden auf einer niedrigen Beleuchtungsstufe durchgeführt-, 7 oder 10 Candela pro Quadratmeter, so dass sie das funktionelle Sehen im Tageslicht nicht darstellen. Beide Verfahren reichen nicht aus um das Sehen unter Tageslichtbedingungen zu überprüfen. Dieser Junge hatte keine Gesichtsfeldausfälle im Tageslicht und konnte zu Recht nicht verstehen, warum der Augenarzt ihm verboten hatte, Fahrrad zu fahren.


Dia 31.

Obwohl die Perimetrie nach Goldmann die goldene Norm ist, können auch ihre Resultate ein falsches Bild vermitteln, wenn man glaubt, dass ein absolutes Skotom kein nutzbares Sehen enthält. Als dieser Junge zur Konsultation kam, dachte ich, dass in der Perimetrie irgendein Irrtum geschehen war, denn dieser Junge ist einer unserer besten Torwarte im Eishockey. Ich habe das Gesichtsfeld nochmals gemessen und habe gleiche Befunde ermittelt. Da war es erforderlich, die Struktur des Skotoms differenzierter zu untersuchen.


Dia 32.

Die Funktion innerhalb eines Skotoms können wir heute mit Gittermustern, Gratings in Bewegung ..


Dia 33.

oder mit Luminanzflickern überprüfen. Man beginnt mit einem Stimulus, der leicht zu sehen ist und ...


Dia 34.

reduziert dann den Kontrast bis eine Schwelle gemessen wird.


Dia 35.

Da in diesem Fall in allen Bereichen des Skotoms Empfindungen zu messen waren, sollte man das Skotom nicht schwarz, sondern nur grau darstellen, um damit zu verdeutlichen, dass selbst in sogenannten absoluten Skotomen brauchbare Funktionen erhalten sein können.


Dia 36.

Bei Erwachsenen und Schulkindern kann man Flickerempfindlichkeit auch in einigen Fällen von homonymer Hemianopsie messen. In diesem Fall hat der Mann eine linksseitige homonyme Hemianopsie, das heißt, einen linksseitigen Ausfall des Gesichtsfeldes nach einem langen Migräneanfall vor mehreren Jahren. Während der Goldmann Perimetrie sah er den Stimulus auf der linken Seite nicht, wenn er mit normaler Geschwindigkeit von 2-5 Grad pro Sekunde bewegt wurde, sah aber "etwas Glühendes", wenn die Geschwindigkeit maximal war, also 20 bis 40 Grad pro Sekunde.


Dia 37.

In der blinden Gesichtsfeldhälfte konnte er Luminanzflicker beim ersten Versuch sehen und nach mehreren Monaten des Trainings auch die Flickerbuchstabenstimuli. Ob und wie oft es möglich wäre, Formsehen bei homonymer Hemianopsie bei Kindern wieder herzustellen, weiß man heute nicht. Es wird aber deutlich, dass wir die Plastizität des Gehirns öfter benutzen sollten.


Dia 38.

Bei einer Verletzung in den hinteren Teil der Sehbahnen (roter Ring) oder in der Sehrinde, gibt es die Möglichkeit, dass visuelle Information durch die tectalen Bahnen die Hirnrinde erreicht und dadurch Bewegung und sogar Grundfarben wahrgenommen werden. Es kann auch sein, dass die Zerstörung nicht total ist und das Nervensystem wieder organisiert wird, nicht normal aber so, dass einige Funktionen möglich sind.


Dia 39.

Je nach dem, wo die Verletzung geschehen ist, sprechen wir von anteriorischen oder posteriorischen Sehschädigungen. Die anteriorischen, vorderen Schädigungen sind im Auge oder im Bereich des ersten Neurons bis zum Kniehöcker oder bis zu einem tectalen Nukleus; die posteriorischen, hinteren Sehschädigungen befinden sich hinter dem Kniehöcker. Die Schädigungen in der Radiatio optica und in der visuellen Hirnrinde verursachen Skotomata. Die Schädigungen in der höheren assoziativen visuellen Hirnrinde verursachen keinen Ausfall des Gesichtsfeldes, sondern Veränderungen in spezifischen visuellen Funktionen, von denen es mehr als dreißig verschiedene gibt.


Dia 40.

Die Aktivität, die in der Netzhaut gesammelt ist, wird von den Sehbahnen in die primäre Sehrinde geführt.

Dort liefern die parvozellulären Fasern die Informationen in eine Schicht und die magnozellulären Fasern in einer andere Schicht. Gleichzeitig werden die verschiedenen Teilfunktionen, Farben, Formen und Bewegung in speziellen Zellgruppen verarbeitet.


Dia 41.

Reaktionen einer spezifischen Zellgruppe zu Linienrichtungen können ein Beispiel der "Decodierfunktionen" sein. Diese Zellgruppe reagiert maximal, wenn eine Linie mit einer horizontalen Richtung in ihrem rezeptiven Feld erscheint, weniger wenn die Richtung nicht die optimale ist. Andere Zellgruppen reagieren bei anderen Richtungen. In der nächsten Stufe kombinieren gewisse Zellen Informationen der verschiedenen Linienrichtungen und reagieren nur zum Beispiel bei einem Winkel von einer gewissen Größe.


Dia 42.

Auf noch höheren Stufen der Bildwahrnehmung werden die Strukturen mehr und mehr kompliziert. Während der Weiterleitung der Information durch die Hirnrindenareale, sind die verschiedenen Zellgruppen mannigfaltig und stehen eng miteinander in Verbindung. Wir sehen auch in diesem Bild die zwei Hauptrichtungen des Informationsstroms, den dorsalen und den ventralen Strom.

Die Reaktionen der verschiedenen Zellgruppen werden dann zusammengefügt und ein Bild wird wahrgenommen. Wo und exakt wie, das wissen wir nicht. Es entsteht ein Template, ein Muster, das später aus dem Gedächtnis identifiziert und mit neuen Wahrnehmungen verglichen wird, um ein Objekt wiederzuerkennen. Sehr häufig wird die Wahrnehmungsleistung stärker vom Gedächtnis als vom gesehenen Objekt bestimmt, deshalb sagt man heute auch, Wahrnehmung sei eine Konstruktion und kein Abbild.


Dia 43.

Höhere visuelle Funktionen des ventralen und des dorsalen Stroms sind zwei verschiedene Gruppen von Funktionen. Im ventralen Strom sind überwiegend die Funktionen des Wiedererkennens: geometrische Formen, Größe, Linienrichtungen, Zahlen, Buchstaben, Gesichtsformen, Gesichtsausdrücke, Objekte und Figur-Grundwahrnehmung, Farben, Bewegung etc.

Im dorsalen Strom sind die Raumwahrnehmungen, sowohl des egozentrischen wie auch des allozentrischen Raumes, die als Landkarten für das Planen der motorischen Funktionen benutzt werden.

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